Können alle Betriebsratsmitglieder Seminare besuchen ?

Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht nach Abs. 6 für Veranstaltungen, die Kenntnisse vermitteln, die für die BR-Arbeit erforderlich sind. Durch diese Regelung wird klargestellt, dass die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zu den Amtsobliegenheiten des BR gehört (BAG, 7. 6. 89, AP Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972; Däubler, Arbeitsrecht 12006, Rn. 863).

Der 7. Senat des BAG unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen der Vermittlung von sog. Grundkenntnissen, durch die das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden soll, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen, und anderen Schulungsveranstaltungen, bei denen ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen muss, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (zuletzt BAG, Urteil vom 7. 5. 2008 - 7 AZR 90/07, NZA RR 2009, 195; BAG Urteil vom 19.7.1995 – 7 ABR 49/94, NZA 1996, S. 442).

Nach dieser Rechtsprechung gilt, dass bei Schulungsveranstaltungen, auf denen das für die Ausübung des Betriebsratsamts unverzichtbare Grundwissen vermittelt wird, wegen der mit der Betriebsratsarbeit typischerweise verbundenen Aufgabenstellung auch ohne besondere Darlegung davon auszugehen ist, dass sie vom Betriebsratsmitglied entweder alsbald oder zumindest demnächst benötigt werden, um seine Betriebsratsaufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Zu diesen Grundschulungen zählen Schulungsveranstaltungen, bei denen Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden (BAG 19.7.1995 – 7 ABR 49/94).

Von der Entbehrlichkeit der Darlegung eines betriebsbezogenen Schulungsbedarfs bei den Grundschulungen hat das BAG zwei Ausnahmen anerkannt. Die Vermittlung eines Grundwissens ist für die ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit nicht mehr erforderlich, wenn das zu schulende Betriebsratsmitglied auf Grund seiner bis zum Zeitpunkt des Betriebsratsbeschlusses erworbenen Vorkenntnisse bereits über das erforderliche Grundwissen für die Ausübung seiner sich aus dem Betriebsratsamt ergebenden Aufgaben verfügt. Zu den persönlichen Vorkenntnissen gehören auch die auf vorangegangenen Schulungen vermittelten Kenntnisse und das durch langjährige Tätigkeit im Betriebsrat erworbene Erfahrungswissen (BAG, Urteil vom 16. 10. 1986, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67).

An der Erforderlichkeit kann es fehlen, wenn die Schulung erst kurz vor dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats stattfindet und der Betriebsrat zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung absehen kann, dass das zu schulende Mitglied bis zum Ablauf der Amtszeit die auf der Schulungsveranstaltung vermittelten Grundkenntnisse nicht mehr einsetzen kann. Vor der Entscheidung von 2008 hatte das BAG in älteren Entscheidungen allgemein gefordert, dass eine besondere Darlegung der Erforderlichkeit bei der Vermittlung von Grundkenntnissen erfolgt, wenn die Schulungsveranstaltung erst kurz vor Ablauf der Amtszeit erfolgen soll (s. z.B. BAG, Urteil. vom 7. 6. 1989, NZA 1990, S. 149)

Das einzelne BR-Mitglied ist nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet, an Schulungsmaßnahmen teilzunehmen (BAG, Urt. vom 29. 1. 74, AP Nr. 5 zu § 40 BetrVG 1972; Fitting, § 37 Rn. 137), sofern für die BR-Arbeit erforderliche Kenntnisse nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. Lehnt das BR-Mitglied die Schulungsteilnahme ab, kann eine Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 23 Abs. 1 vorliegen (Fitting, a. a. O.; GK-Weber, a. a. O.)

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